22.10.2022

Topfkleber - Jiaozi, Gyōza, Potsticker

Wantan mag ich nicht so. "Reinsetzen" (zu dieser Formulierung Torsten Sträter ab Minute 17:21) könnte ich mich allerdings in die japanische Variation des chinesischen Gerichts: "Gyōza" - weil die neben der Konsistenz gedämpften Teigs auch den crunchigen angerösteten Boden vorweisen, der mir derart Freude macht. Der Boden nämlich bleibt mitunter an Topf oder Pfanne kleben - und diesem Sachverhalt verdankt der Gyōza vermutlich seinen amerikanischen Spitznamen "Potsticker". 

Um dem Lügen zu strafen, nutzen wir eine beschichtete Pfanne mit einem gut verschließenden Glasdeckel. Die Teigkreise, die man nach Gutdünken füllen kann, gäbe es fertig zu kaufen. Lustvoller ist es, sie aus Mehl und Heißwasser selbst herzustellen. Das ermöglicht auch, die Mitte, die später geröstet wird, dicker zu formen als den Rand, der ja durch das abschließende Zusammenfalten "verdoppelt" wird.




Wie die japanischen Teigtäschchen traditionell zusammengedrückt werden, kann man sehr schön in diesem Video (ab Minute 3:00) sehen. 

Elaine Luo zeigt kunstvolle Falttechniken aus frischem Teig - aber Obacht: In China wird dem Vernehmen nach der Teig dicker ausgerollt als in Japan, wo die Gyōza eine feinere Hülle bekommen.

Und wie der Teig entsteht, ist schön bei Yumtamtam zu sehen.

Bezüglich des Füllens merken wir uns, was sie bei Wagawama betonen: "The secret is not to overprocess the filling and to make sure you don't overfill the skin" (Arnold, 2004, S. 51).

Mit was man füllen mag, sei der Fantasie überlassen. Spitzkohl und Schweinefleisch ist klassisch, Wasserkastanien aus der Dose fügen eine interessante süßliche Nuance hinzu. Die zweite hier dargestellte Variante stammt aus dem Buch "Sichuan-Pfeffer meets Sauerkraut". Ebenso wie die Information, dass "Dim Sun" (hochchinesisch: Dian xi) "eine kleine Aufmerksamkeit" bedeute, die Kantonesen vormittags in Teehäusern zum Tee zu sich nähmen. Soweit zur Kategorie Unnützes Wissen.

Los geht's...



Zutaten für Teig 

  • 220g Mehl (griffig), am besten Typ 405
  • 150 ml gekochtes Wasser
  • 6g Salz
  • Kartoffelstärke beim Kneten der Bällchen

    Zubereitung

    1) Mehl und Salz in einer großen Schüssel vermengen.

    2) Heißes Wasser portionsweise mit einem Löffel oder Stäbchen einrühren. Der Teig wird zunächst bröselig. Wenn der Teig angreifbar ist, 10 Minuten kräftig kneten. Dabei mag traditionelle Taiko-Musik helfen...

    3) Teig zu einer großen Kugel formen und mit einem feuchten Tuch abgedeckt 30 Minuten rasten lassen.



    4) Nochmals kneten und rasten lassen.

    5) In eine ca. 2 cm dicke Rolle formen und portionsweise in 5  Stücke schneiden. Zu Bällchen von ca 2 cm Durchmesser rollen und jeweils mit einem Holzstab zu Kreisen ausrollen, die in der Mitte dicker sind als am Rand. Dabei Kartoffelmehl zum Ausstreuen auf der Arbeitsplatte verwenden. 

    Zutaten für Füllung Spitzkohl/Garnelen

    • Große Garnelen, roh
    • Frühlingszwiebeln
    • Spitzkohl
    • Ingwer, Knoblauch
    • Reste vom Steinpilz oder andere Pilze
    • Koriandergrün
    • Soja-Soße
    • Reisessig (dunkler chinesischer, der aromatischer ist als weißer Essig, z. B. Zhenjiang Xiangcu)
    • etwas Brühe

      Zubereitung Fülle Spitzkohl/Garnelen 

      1) Alle Bestandteile klein hacken

      2) Frühlingszwiebeln und doppelte Menge Spitzkohl in Sesamöl anschwitzen.
      1cm Ingwer und Knoblauch hineinreiben.
      Garnelengehacktes dazugeben, durchrühren, ein bisschen Chili dazu. Nochmals durchrühren

      3) Mit etwas Brühe, Sojasoße und Sake (oder Sherry) ablöschen

      4) Mit einem Deckel abdecken, Temperatur reduzieren, weich dünsten und dann mit Deckel stehen lassen

      5) Wenn abgekühlt, die Masse kneten

      6) Vorbereitete, am Rand ca 1mm dünne, in der Mitte etwas dickere, Teigkreise mit der Masse und einem Korianderblättchen füllen. Nicht zu viel nehmen!
      Die Hälfte des Kreisrandes mit etwas Wassern anfeuchten, mittig falten und den trockenen Rand  kringeln und an den trockenen Teil drücken. Es scheint wichtig zu sein, dass die Anzahl der so entstehenden Falten ungerade ist!


      Variante Sauerkraut und Chorizo (aus Qin Xiere-Krieger, 2016) 

      • 100g Sauerkraut
      • 1 Schalottze
      • 1 Knoblacuhzehe
      • 50g Chorizo
      • 2 EL Olivenöl
      • 1 TL Tomatenmark
      • 1/2 TL Zucker
      • 250g gemischtes Hackfleisch
      • 2 EL jelle Sojasoße
      • 1 TLMaisstärke
      • 1 Ei
      • 1/2 TL Salz

        Zubereitung  

        1) Sauerkraut abtropfen lassen und grob hacken.

        2) Schalotte und Knoblauch fein hacken.

        3) Wurst schälen und ebenfalls in kleine Würfelchen schneiden, so klein wie möglich!

        4) In Olivenöl zunächst Zwiebel glasig schwitzen, kurz noch den Knoblauch dazu, dann Tomatenmark 30 Sekunden mitbraten, abschließend etwas zuckern.

        5) Das Dauerkraut dazu, mischen, erwärmen und noch eine Minute am Herd lassen.

        6) Auf einem großen Teller komplett abkühlen lassen.

        7) Mit rohem Hackfleisch, Sojasoße, Ei, Stärke und Salz verkneten.

        8) Zugedeckt im Kühlschrank rasten lassen.

        9) Formen der Potsticker wie oben


        Dünsten der Teigtäschchen

        1) Beschichtete Pfanne, für die ein Glasdeckel vorhanden ist, aufheizen, dann ein wenig Pflanzenöl zugeben

        2) Mit größerem Abstand Gyōzas hineingeben und 2-3 Minuten auf der Unterseite bei leichter Hitze scharf anbräunen lassen



        3) Heißes Wasser (oder Brühe) dazugeben. Die Gyōzas sollten bis zum Drittel in der Flüssigkeit sein. Dann sofort mit dem Deckel verschließen! (Wenn wir tiefgekühlte Gyōzas benutzen, etwas mehr Wasser zugeben!)

        4) Ca. 3 Minuten bedeckt dünsten lassen

        5) Deckel noch mal öffnen und mit etwas Sesamöl parfümieren, dann köcheln, bis die Feuchtigkeit verdunstet ist. Ausrasten lassen

        Gyōza-Sauce (von Wagamama)

        1) 1 Knoblauchzehe raspeln, mit fein geschnittener Chilischote und etwas Salz mit einem Messer zu einer Paste vermengen

        2) In einem kleinen Topf 25g Zucker in 100ml Reisessig (dunkler chinesischer, der aromatischer ist als weißer Essig, z. B. Zhenjiang Xiangcu) bei leichter Hitze auflösen

        3) Vom Herd nehmen und Paste einrühren

        Gyōza-Sauce (zuckerfrei)

        1) Dunklen (!) Reisessig mit gleich viel Sojasoße und einem Quäntchen Sesamöl vermengen





        12.10.2022

        Puschkinskije

        Warum wurde Alexandr Sergejevitsch Puschkin in der Sowjetunion und ihren Vorgängerstaaten verehrt wie kein anderer?


        Lenin isst Kartoffeln, gemalt von Sandro Boticelli - Traum, erstellt mit https://beta.dreamstudio.ai/dream

        Weil er seine Verse als erster Literat des Landes in der Sprache des russischen Volkes, nicht im Kirchenslawischen, verfasst hat? Schuf er mit seinem Versepos "Evgenij Onegin" nicht zugleich die hochkomplexe Vollendung der russischen Literatur, indem er die Eigenheiten des Russischen und die Shakespearsche Kunst des Sonetts eigentümlich verband? 

        Wikipedia dazu: "Die Strophe zu je 14 Zeilen in vierfüßigen Jamben folgt einem komplizierten und strengen Reimschema, das über das ganze Gedicht hin eingehalten wird, mit Ausnahme der Briefe Tatjanas und Onegins, sowie Tatjanas Traum: [a B a B c c D D e F F e G G] wobei die kleinen Buchstaben weibliche Reime, die großen Buchstaben männliche Reime bezeichnen".




        Puschkin zeichnet sich selbst in einem Brief mit seinem Helden Onegin an der Newa, 1824, Puschkin-Museum, Leningrad


        Oder doch wegen jener Bratkartoffeln, die Alexandr Sergejewitsch sich gern - spät in der Nacht, wenn "die Dienerschaft schon schlief" (Trutter, S. 65) - bei Hungerattacken selbst zubereitet haben soll, die Картофель "Пушкинский"? Dazu verschlang er - einem Brief an seine Frau Natalja zufolge - am liebsten noch einen Schock weichgekochte Eier. 

        Ist schnell nachgekocht und mit Wachteleiern in nämlicher Größe wie die kleinen Wunderlinge vom Billa macht das einfache Nachtmahl des Genies auch für Instagram noch einen schlanken Fuß.


        Zutaten  

        • kleine, festkochende Kartoffeln
        • Butter(schmalz)
        • Sale grosso
        • schwarzer Pfeffer
        • Basilikum, Majoran
        • Packung Wachteleier in derselben Größe wie die Kartoffeln

        Zubereitung

        • Kartoffeln in der Schale in einem Topf mit kaltem Salz-Wasser und einem Lorbeerblatt aufkochen und garen lassen.
        • Wenn sich die Kartoffeln mit einer Nadel ohne Widerstand durchstechen lassen, sind sie gar.
        • Wasser ausgießen, Kartoffeln unter kaltem Wasser abschrecken und schälen, dann in den Topf zurückgeben und mit Deckel ausdämpfen lassen
        • In Butterschmalz rundum anbräunen lassen, zum Schluss grobes Salz, grob gemörserten Pfeffer, Basilikum und Majoran zugeben, schwenken und sofort servieren.
        • Wachsweiche Wachteleier dazu (brauchen, wenn man sie in Grad handwarmes gibt und den Gasherd auf Pulle dreht, 2 Minuten), schnell in kaltem Wasser abschrecken und nach ca 2 Minuten mit einem kleinen Löffel "pellen". 


        Dazu schmecken live vom Roten Platz in Moskau Anna Netrebko und Dmitrij Chvorostovskij mit dem Finale von Tschaikovskijs Oper zu Eugen Onegin. Mehr UdSSR geht nicht!