11.11.2020

Canelés de Bordeaux

Bordeaux - seit Jahrhunderten Umschlagplatz von Schiffsladungen aus aller Welt. Stolze Stadt an der Atlantikküste, geschützt im breiten Bogen der Garonne, unweit der wunderlichen Wanderdünen du Pilat. Wo der "Nordost" weht, wie Hölderlin in seinem der Stadt gewidmeten "Andenken" betont: "der liebste unter den Winden mir, weil er feurigen Geist und gute Fahrt verheißet den Schiffern". Das Gedicht wurde von Hanns Eisler übrigens fragmentiert vertont...


Hier war es wohl so gewesen, dass der Bordelaiser zum Klären seines ruhmreichen herben Weines Eiweiß geschlagen und genutzt hat. 

Was aber tun mit dem übriggebliebenen Eigelb? Hätte man uns Friesen gefragt, hätten wir geantwortet: "Eierkööm!". Aber es hat uns keiner gefragt.

So erfanden die schönen "braunen Frauen", von denen Hölderlin schwärmte, als Resteverwertung - Canelés. Soweit die Legende.

In Wirklichkeit sind da eigentlich gar nicht so viele Eigelbe im Teig für die Küchlein - aber die Geschichte klingt schön! 

Drei Elemente machen das Gebäck aber doch zum Kult - die Kupferformen, deren Wärmeleitung ermöglicht, dass die Canelés außen schnell kross werden und innen lang weich bleiben. Dann Bienenwachs, mit denen die Formen eingelassen werden müssen. Und Kult ist schließlich auch die lange Wartezeit zwischen Zubereitung des Teiges und Backen, damit Vanille und Schnaps genügend Zeit haben, um sich einschmeicheln zu können. Das macht Canelés zu einer Nachspeise, die sich sehr gut vorbereiten lässt. 48 Stunden im Voraus, wenn man's ganz ernst nimmt...

Die meisten Rezepte beinhalten Rum - nicht gerade typisch französisch! Wenngleich: Bordeaux als Hafenstadt, die ihren Reichtum großteils durch Sklavenhandel begründete, wird  aus der Karibik wohl auch dieses Produkt im Kontor gehabt haben. Etwas französischer und persönlich schmackhafter ist mir Calvados. Kommt auch von der Atlantikküste, um die Ecke im Norden. Den nehme ich! Und der Rum kommt in' Grog!


Zutaten (für 6 Kupferformen)

  • 0,25 Liter Milch
  • 1 ganzes Ei
  • 9ik1 1/2  Eigelb
  • 15 gr Butter
  • 100 gr Zucker
  • Prise Salz
  • 50 gr Mehl
  • 1 Vanilleschote 
  • 15 ml (2 EL) Calvados

    Zubereitung

    Mindestens 24 Stunden im Voraus:

    1) Vanilleschote längs aufschneiden und mit der Klinge des Messers auskratzen



    2) Die Milch zusammen mit der Butter und der Vanille (ausgekratzt und Schoten) zum Köcheln bringen und ca 10 Minuten simmern lassen.


    3) In der Zwischenzeit Mehl und Zucker vermengen, Eier und Eigelbe hinzufügen. 

    4) Die Milch-Butter-Vanille durch ein Sieb hinzufügen, Prise Salz dazu - und alles gleichzeitig rühren. 

    5) Vanilleschote aus dem Sieb kurz abwaschen und zum Teig geben.

    6) Calvados dazu gießen. 

    7) Für mindestens eine Nacht abgedeckt in den Kühlschrank stellen, gelegentlich umrühren.

    Am Backtag:

    1) Die Teigflüssigkeit (die Konsistenz erinnert an Crepes-Teig) eine Stunde vor dem Backen aus dem Kühlschrank nehmen, Vanilleschoten entfernen.

    2) Formen in einem Topf mit kochendem Wasser erwärmen und Späne von Bienenwachs hineingeben. Mit einem Handschuh herausnehmen und kreisen lassen, dass sich der Wachs an der Innenwand festsetzt. Pinseln führt eher dazu, dass der Pinsel voller Wachs ist-erwärmen und so flüssig machen, handwarme Formen mit Bienenwachs einreiben (auf kaltem Kupfer wird der Wachs sofort hart!).



    3) Teig zu etwa 2/3 der Höhe einfüllen – Vorsicht! Die Masse souffliert (warum auch immer…)


    4) Den Ofen volle Pulle auf 240°C (beim Schalter meines Gasofens "275"...) vorheizen. Auf einem Backblech zwei Lagen Backpapier ausbreiten, das die Funktion hat, das möglicherweise überlaufende Wachs aufzusaugen. Wenn die Temperatur erreicht ist, die Formen auf dem Blech in den Backofen schieben. Das ist jetzt eine ziemlich heiße Sache, die zur schnellen Karamellisierung der Kruste führen soll. Der Teig muss im Wachs/Fett blubbern.

    5) Nach 20 Minuten in meinem Gasofen (bei Paulis Präzisionsofen, der die Temperatur hält, während sie bei mir nach dem Eingeben der Formen absinkt und erst wieder "zulegen" muss: 7 Minuten) die Temperatur auf 180°C (Pauli: 150) senken. Bei 180°C ca. 30 Minuten backen. Dabei ist es wichtig, die Farbe zu beobachten: Der Teigmantel muss dunkelbraun sein, denn nur so ist er wirklich äußerlich karamellisiert! Innen soll die Canelé fluffig sein. Bei niedrigerer Temperatur (90°C) hat die Füllung eher Pudding-Charakter - Geschmackssache, was man besser findet.

    6) Noch warm mit leichter Hilfe eines spitzen Messers vorsichtig aus den Formen lösen.


    Als Begleitung bewährt sich, Zucker zu karamellisieren, mit Mandarinensaft abzulöschen. Dann kristallisiert das wieder, sobald wieder flüssig kann man Mandarinenfilets zugeben und ggf. Grand Marnier oder Cointreau. 
    Wer es etwas experimenteller mag: ein Hauch von Rosmarinnadeln. 
    Etwas einsimmern lassen. 
    Wenn vorhanden Rosmarinblüten über Canalés und Soße streuen.

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