09.04.2023

Frittenzeit

Heut gibt's Pommes. 

Naserümpfend ignorieren wir hiefür zur fettlosen Zubereitung konzipierte Küchengeräte wie Heißluftfritteusen und Conveniencen wie Backofenwellenpommes. 

Wir nehmen Kartoffeln, gern auch mal solche, die schon etwas länger lagen und mit Keimen beginnen - Resteverwertung ist das Thema, in einer guten Küche verkommt nix!

Wir schälen sie - und machen das, was ein Mann oder eine Frau oder wer auch immer eben machen muss: Sie zweimal frittieren! 

Einmal zum Garen - bei 130 Grad. Dann zum Bräunen noch mal kurz bei 170 Grad. Zwischen den beiden Vorgängen kann man gern auch eine größere Pause zulassen, was die Kochplanung erheblich erleichtert.

Ja, und zu alldem braucht man keine Fritteuse, überhaupt kein Sonderzubehör - sondern einen eher schmalen, hohen als breiten Topf, dann Öl bis zum Abwinken, ein gutes Thermometer und einen Schaumlöffel oder vergleichbare Objekte zum Ausheben der Frittierware. Küchenrolle wäre auch nicht schlecht. Und los geht's!



Fritten fertig! Salz muss noch drauf. Raumtemperatur in der Frittenküche.



Zutaten  

  • festkochende Kartoffeln
  • 1 l Sonnenblumen-Öl fürs Frittieren in einem hohen Topf. Mehr geht immer! Ursprünglich nahmen sie in Belgien zum Frittieren Pferdefett, heutzutage gern Rindertalg. Soviel als Info zur historisch informierten Aufführungspraxis - wir bleiben bei Sonnenblumenöl!
  • Salz

    Zubereitung

    1) Geschnittene Kartoffeln für ca eine halbe Stunde in kaltes Wasser geben, damit deren Stärke ausgeschwemmt wird.

    2) Aus dem Wasser nehmen und mit Küchenpapier gut trocken drücken.

    3) Die Pommes sollen in 130 Grad frittiert werden. Da die Temperatur beim Einlegen der kalten Kartoffelschnipsel rapide abkühlt, muss die zu messende Temperatur vor der Zugabe der Einlage ca 150 Grad sein.

    4) So lange frittieren, bis die Kartoffelschnipsel weich sind, das sind, abhängig von der Menge des Öls und der Pommes, ca 6 Minuten. Einfach mal eine Stück rausfischen (mit einer Zange!!) und testen. Die Pommes sind, wenn sie dann "durch" sind, noch blass.



    5) Aus dem Fett heben und im Sieb, das ggf. mit Küchenpapier ausgelegt wird, abtropfen lassen. Im Sieb hüpfen lassen! Entfettet angeblich etwas, macht aber vor allem Spaß.

    6) Vor dem Servieren Öl so hochheizen, dass die Pommes im zweiten Durchgang bei 170 Grad bräunen.


    Zieltemperatur! Weil das Frittiergut das Öl aber beim Einfüllen abkühlt - müssen es vorm Einwurf schon 185 Grad werden.

    Anders als unter Punkt 3) sprudelt das Öl beim Einlegen der Pommes nun bedrohlich. So soll es sein!
    Bräunungsgrad stetig beobachten! Nach ca 2-3 Minuten kann man die Pommes rausholen.

    7) Wieder Sieb und/oder Küchenrolle - salzen. Im Sieb hüpfen lassen, damit sich das Salz verteilt. Fertig!


    Scheint geschmeckt zu haben...


    06.04.2023

    Kartoffelpüree halb und halb

    Joël Robuchon (1945-2018) wird die Idee zugeschrieben, Kartoffelpüree müsse zur Hälfte aus Kartoffeln und zur anderen Hälfte aus purer, gesalzener Butter bestehen. Fertig! 

    Sensible Gemüter halten das Ergebnis für sehr fett. Internist*innen raten gemeinhin ab und erlauben höchstens homöopathische Portionen des Produkts. Sei's drum! 


    Werbung 1960 - blondes Zombiemädchen beim Giftmischen für den Rest der Familie


    Obwohl einige Quellen skandalöserweise enthüllen, dass der Meister selbst sein Püree offenbar mit warmer Milch verdünnte, halte ich den Mythos tapfer aufrecht: Wir werden den armen Kälbern nicht ihre Nahrung wegnehmen! Tatsächlich bin ich der festen Überzeugung, Milch hat in der Küche außerhalb von Nachspeisen lediglich in einem Produkt etwas zu suchen - Bechamel-Sauce. Und aus! 

    Notabene! Während nahezuliegen scheint, für Püree mehlige Kartoffeln zu wählen, besteht Robuchon auf die festkochende, längliche Sorte "La Ratte", die freilich außerhalb der Reichweite französischer Sterneköche nirgends erhältlich ist. Bamberger Hörnchen oder Waldviertler Kipfler mögen hier Ersatz bieten. Jedenfalls - entgegen der Empfehlungen auf den Kartoffelsäckchen beim Discounter - nehmen wir für unser Kartoffelpüree festkochende Erdäpfel.

    In der Hochküche streicht man den Stampf gefühlt zehnmal durch Haarsiebe, damit sich kein Bröckelchen im delikaten Feinschmeckermündchen verfängt. Dann darf man das "Mousseline" nennen.

    Wir Psycholog*innen kennen das Phänomen übrigens von Kleinkindern, die bei der Umgewöhnung von Muttermilch zu festerer Nahrung (im Hebammen-Jargon "Beikost") auf "Stückchen" im Hipp-Brei aversiv reagieren, würgen, schreien und diese "Klümpchen" bestenfalls mit der Zunge aussondern. 

    Wir erwarten von unseren Gästen etwas fortgeschrittenere Konsistenztoleranz und verzichten aufs Sieben.

    Die Einkaufsliste ist also überschaubar. Muskatnuss brauchen wir noch. Und damit das Ganze etwas nussiger schmeckt, teilen wir den Butteranteil in feste und braune Butter.


    Zutaten 

    • festkochende Kartoffeln, 500g
    • 250 g Butter, 250g braune Butter
    • Salz
    • Muskatnuss

    Zubereitung

    • Ungeschälte Kartoffeln in kaltem Wasser mit reichlich Salz aufsetzen und im bedeckten Topf zum Kochen bringen
    • Die Kartoffeln sind gar, wenn man mit einer Nadel ohne Widerstand durch sie hindurchstechen kann.
    • In kaltem Wasser abschrecken und pellen
    • In den Topf zurückgeben und ca 10 Minuten ruhen lassen
    • Kartoffeln zerschneiden und mit einem Kartoffelstampfer zerdrücken
    • Braune Butter erwärmen und mit den zerstampften Kartoffeln weiterstampfen
    • Butterwürfel zugeben und einarbeiten
    • Vor dem Servieren vorsichtig unter ständigem Rühren warm machen und mit Pfeffer, Salz und Muskatnuss würzen



    "...mit viel guter Butter..."

    Mit der Butter ist es ja so ein Ding...

    Wenn meine Mutter wollte, dass wir wir ihren Kuchen besonders schätzen und loben sollten (was ohnedies aufgrund der prächtigen Qualität unstrittig erfolgt wäre), aber wenn sie ein solches Lob eben noch mal besonders hervorkitzeln wollte, z. B. weil sie just ein neues Rezept einer ihrer Freundinnen erprobt hatte, so erwähnte sie beiläufig: "der ist mit viel guter Butter"!

    "Gut" wurde dabei besonders betont! - Also keine billige Margarine (Rama war damals die Marke der Wahl), sondern Butter, die der Kriegsgeneration als Symbol von Luxus und Wohlstand galt. Auch die Anzahl der im Kuchenteig verwendeten Eier gehörte erwähnt: "8 Eier - und mit guter Butter!" Viel davon!


      Eigentlich unpackbare Werbung für "Deutsche Markenbutter", 3 Jahre nach meiner Geburt:
    Damals wurde Butter als natürliches "Schmiermittel" für die Nerven beworben -
    statt kritisierter "Surrogate" ein Segen für Galle, Leber und Hirn...


    In meiner Jugend verlor die Butter jedoch wenn schon nicht an unvergleichlich prächtigem Geschmack - was sollte es denn wirklich Besseres geben als frisches, noch warmes, Graubrot mit viel guter Butter und etwas Salz? -, so doch an Ruf: 

    Ehemals Luxusartikel, klagte man nun aufgrund hochkapitalistischer Produktions- und europäischer Förderkonzepte über den "Butterberg" der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Und das Zentrum der Produktion lag nur unweit unseres Grundstücks  in Oldenburg - das Hochhaus der BEZ, der von uns so genannten "Butter-Eier-Zentrale".



    Noch 2009 berichtet Heinzis Zeitung von Butterbergen und Milchseen

    Doch mit dem ökonomischen Dilemma nicht genug! - US-Internist*innen machten in Butter zuhauf Schädlinge aus -  Cholesterin (dt. "verhärtete Galle") wurde als Wurzel allen gesundheitlichen Übels demaskiert. Und alles was im Kuchen bislang gut war, nämlich auch die Eier waren voll davon, sollte nun geflissentlich gemieden werden.

    Der Versuch unseres dichtenden niedersächsischen SPD-Landwirtschaftsministers Funke mit seinem legendären Vers

    der Popularität des Produkts Gutes zu tun, weckte Erinnerungen an jene - seinerzeit legendär provokanten, inzwischen allerdings auch ethisch inkriminierten - Szene aus Bertoluccis "Letzter Tango in Paris", in dem Butter eine gleitende Rolle spielte. Für Funke war das Gedicht lediglich sein Karriereende. 

    Liesbeth, unsere Mutter, schwenkte im damaligen Gesundheitswahn dazu über, ihr persönliches Abendbrot mit Margarine zu schmieren. Bei Festivitäten wurden unter den älter werdenden, damals noch rauchenden, Erwachsenen bei Tisch deren Cholesterinwerte zum Thema.

    Mir hingegen bleibt die Sitte in wohligster Erinnerung, dass beim Mittagessen immer ein ordentliches Halbpfund Butter in der stählernen Butterdose mittig am Tisch thronte, aus dem ich mir mit meinem Esslöffel eine gehörige Portion schöpfte, um dieser dann beim Schmelzen über den gekochten Kartoffeln und natürlich den Fischstäbchen zuzuschauen. Und von diesem meditativen Schauspiel gerührt und zufrieden schließlich dann, bevor "man" endlich "reinhaute", noch einen Löffel guter Butter draufgab, damit es "besser flutscht".


    Butter bei die Fische...

    So war das damals in Zeiten des Überflusses. Derweil ist Butter  so teuer, dass sie wieder zum Luxusartikel geworden ist.

    "Haste keine Nüsse?"

    Nussgeschmack ohne Nüsse? Machbar, wenn man Butter zu "brauner Butter" macht. Der Geschmack entsteht durch das Karamellisieren des enthaltenen Milchzuckers und die Französin spricht daher von beurre noisette. Man kann sie als schnell gemachte "Soße" und Geschmacksverstärkerin über alles gießen - unverzichtbar lecker ist sie über Pürees von Gemüse und Kartoffeln. Und bei die Fische.



    Braune Butter - auch für die Pastisserie. Illustration aus aus: "The Spruce"


    Zutaten 

    • Butter

    Zubereitung

    1. ) Anders als beim Klären von Butter lassen wir die Butter auf dem Feuer brodeln, schöpfen auch den entstehenden Schaum nicht ab, sondern lassen das Ganze erhitzen. Es blubbert schön, immer mal rühren. Bei punktgenau 150°C sind wir am Ziel und der Topf kommt von der Flamme. 
    2. ) Sollte Schaum vorhanden sein, diesen mit einem Schöpflöffel abheben. Vom Herd nehmen
    3. ) Durch ein feines Sieb geben, um die entstandenen schwarzen Körnchen auszusondern. Fertig!