13.05.2023

Hessendorfer Forellen räuchern?

Im "Anglerparadies" im Waldviertler Hessendorf lernen Sohn und Vater seit geraumer Zeit miteinander Spinnfischen. Der aktuelle Tagesrekord ist 14 Fische - Regenbogenforellen und Saiblinge. Am 06.05.2023 schleppten wir 6 kg nach Hause. Das Kind ist voll des Glücks.



Oktober 2022 Jori nimmt die selbst gefangenen Fische selbst aus. Alles "Männchen"!

Aber wohin mit so viel Catch of the Day im zwei-Männer-zwei-Kater-und-Krupskaja-Haushalt? 

Jori nimmt, an solcherart planenden Überlegungen gänzlich desinteressiert, erst einmal einen Esslöffel und damit die Fische mit souveräner Routine aus, bestimmt deren Geschlecht - Hessendorfer Forellen sind in überraschender Überzahl "Milchner". Wenn dieser Befund die Stimmung trübt, erklärt min Jung den zuletzt gesäuberten Fisch kurzerhand trotz extrahierter Milch und fehlendem Rogen zum "Weibchen". Gender-Parität!

Wir geizen beim Säubern fast wie zwanghaft mit Wasser. Denn wir wollen der Idee von Josh Niland huldigen, Fisch solle nach seinem Tod nicht mehr mit Wasser in Kontakt kommen, sondern gehöre dry aged

Das ist trotz des frischen Fanges freilich nur bedingt realisierbar: der Weg mit dem Reblausexpress nach Retz und von dort mit dem Cityjet nach Wien lässt eine eher brüchige Kühlkette erahnen. Die Situation an der Leopoldstädter Küchenspüle ist jedenfalls blutig. Ganz ohne Wasser geht die Chose nicht!


Niland J (2019). Der ganze Fisch, S. 33

Um die große Masse zu bewältigen, frieren wir vakuumiert ein. Einige aber - und das ist nun die Challenge (!) - will ich nach traditioneller Art heißräuchern. 

Das dafür vorab notwendige "Pökeln" findet auch Nilands Segen, obwohl es natürlich bedeutet, dass der Fisch postmortal doch noch mal baden würde. Genau das allerdings empfiehlt Niland in seinem zweiten Buch (S. 258) fürs Räuchern von Heringsfilets auch.


Zutaten

  • 6 Forellen
  • 4 l Wasser
  • 200g Salz
  • Wacholder, Lorbeer, Fenchelsamen, Dill
  • 25g Räucherdunst (Buche)

Zubereitung


1) Forellen nach dem Fang ausnehmen, mit Küchenrolle sehr trocken tupfen. Nebeneinander auf ein Backgitter oder einen Grillrost legen, darunter so etwas wie eine Abtropfschale, um doch noch austretende Säfte aufzufangen.

2) Im Kühlschrank über Nacht "abhängen" lassen. Gegebenermaßen habe ich es auch schon zu zwei oder drei Nächten kommen lassen. Die Haut wird dabei knorrig. Anders als man erwarten dürfte, beginnt der Kühlschrank tatsächlich nicht zu stinken, denn - wie betont Josh Niland -: "Sogar wenn man Fisch 20 Tage reifen lässt, riecht er, wenn man alles richtig gemacht, nach so gut wie nichts" (2019, S. 25). Dry aged trouts. Wenn man alles richtig gemacht hat... 

3) Pökelflüssigkeit vorbereiten: Dazu in einem großen Plastik- oder Porzellangefäß auf 4l kaltes Wasser 200g Salz auflösen, Aromate (Lorbeer, Wacholder, Fenchelsamen) und Fische einlegen. Mindestens 12 Stunden im Kühlschrank marinieren. Meine lagen 24 Stunden.


Tips für die Pökellake zum Heißräuchern

Bei fettem Fisch darf der Salzanteil bis zu 10% betragen (z. B. Makrele, Aal - 80g auf 1l Wasser), bei magerem Fisch ca. 5%.
Nisham pökelt 200g Heringsfilets mit Haut in 80ml Wasser, "2 TL" Salz, 60g Honig, 1 TL gerösteten Selleriesamen 12 bis maximal 24 Stunden (Nishan, 2021, S. 258).


Wie nun weiter? Zum Kauf des Fissler-Bräters überredete mich vor allem die Behauptung, mit diesem könne man auch räuchern:

Fraglich, wie lange man nun räuchern soll. Viktoria Fuchs räuchert nur kurz (5-8 Minuten) und gibt den Fisch dann noch 15 Minuten bei 180 Grad ins Rohr. Ohne Backofen-Zugabe geben andere eine Räucherzeit von 8-10 Minuten auf der Platte und dann weiter 8-10 Minuten offline an. Fischer scheinen besonders lange zu räuchern, vermutlich um den Preis, dass der Fisch dann zwar länger lagerungsfähig, aber auch "durcher" und härter ist als es sich Sterneköch*innen aktuell wünschen. 


Zubereitung tags drauf...


4) Rausnehmen und trockenreiben, auch unter den Kiemen. Ich habe die Forellen - abweichend von den Empfehlungen der meisten Rezepte - nicht noch mal abgespült. Erstens, weil ich nicht verstehe, warum man das mühsam einmarinierte Aroma wieder abspülen sollte und zweitens, um das feindliche Wasser zu sparen. Man wird immer zwanghafter!

5) Den Boden des Bräters legen wir großzügig mit Alufolie aus.


6) In meinen Fissler-Bräter passen geschätzt 3 Forellen, gut geschlichtet. Sie kommen in den Dünsteinsatz. Damit der Abstand vom Boden etwas erhöht wird, habe ich 3 kleine Briocheförmchen als Puffer eingestellt. Auch gut vorbereitet wird, dass der Bräter-Deckel äußerlich großzügig mit Alufolie überzogen wird, damit wir nach Beginn des Räuchervorgangs die Spalten zwischen Bräter und Deckel noch nach Möglichkeit verschließen können, um das Austreten penetranter Gerüche hintanzustellen.

7) Die größte Herdplatte wird auf volle Pulle gedreht, bis der Boden wirklich knalleheiß ist. Dann 25g vom Buchenräucherdunst auf dem alufolierten Boden verteilen. Bei immer noch voller Pulle aufheizen, der Staub soll ja richtig heiß werden. Forellen im Dünsteinsatz einlegen, folierten Deckel drauf. 

8) Nun geht's los mit Rauchen, Fenster öffnen schadet nicht, obwohl die Angst, dass die ganze Wohnung im Rauch aufgeht, unbegründet ist. Trotzdem sollte man einen Rauchmelder in der Küche, falls installiert, während der folgenden Vorgänge besser deaktivieren.
 
9) Nun wird experimentiert - ich habe 2 Minuten bei voller Pulle geräuchert, dann abgestellt und bei nur kleinster Hitze 11 Minuten ziehen lassen. Das war objektiv zu wenig! Die Forellen zeigten nur ansatzweise so etwas wie Goldfärbung.
 
10) Diese anfängliche Frustration nutzte ich dazu, die Tiere umzudrehen, alles wieder abzudeckeln und mit höherer Hitze von Anfang bis Ende (s. Abb.) weiter- und durchzuräuchern. 10 Minuten - Motto: Von nix kommt nix! 

Gewählte Temperatur im 2. Akt. Demnächst mal wieder putzen!

11) Inzwischen verbreitet sich auch bei geschlossener Küchentür und dortig geöffnetem Fenster ein angenehmer Räucherdunst von real: Buchen-, assoziiert: Sandelholz wie zur Adventszeit. Ich überlege, ob man parallel in der guten Stube durch Räuchern von etwas Styrax (dem Haupträucherstoff der Hekate, Göttin der Zauberpflanzen) ein gefälliges Komplementäraroma erzeugen könnte. Finde aber die nötigen Utensilien gerade nicht, weil wir ja bereits das Ende der Schonzeit von Saibling und Forelle (15.3.) schreiben und der Adventsbedarf inzwischen selbstverständlich ordnungsgemäß weggeräumt ist.    

12) Wenngleich in der guten Stube keine stechenden Gerüche vernehmbar sind, wirkt die Situation in der Küche inzwischen rustikaler: Es nebelt stellenweise aus den Ritzen des folierten Bräters, ich würde nicht von Rauchschwaden sprechen, aber vergleichbaren Dünsten. Assoziationen von Küchen in Bauernmuseen stellen sich ein. Den Herd stelle ich daher aus. Gut, dass das Fenster offen war.

12) Jetzt Üben in Geduld! Deckel nicht öffnen, vielleicht etwas Passendes am Klavier singen, noch mal singen, singen oder (wer kann...) spielen. Ob das Faktum, dass Katze Krupskaja sich im Kinderzimmer scheu unter einer Decke versteckt, mit den Ausdünstungen der Forellenzubereitung oder eher meinem Gesang zu tun hat, lässt sich im bemühten Aufdeckungsgespräch nicht klären. 

13) Da die Glutquelle inzwischen abgeschaltet ist, werden auch andere Fenster in den Zimmern der Wohnung langsam geöffnet. Der brandpolizeilich so gefürchtete "Schloteffekt" ist nun nicht mehr zu erwarten. Der Geruch in der Küche indes lädt zu Reflexionen darüber ein, ob Alufolie bei großer Erhitzung womöglich gesundheitlich ungünstige Stoffe zum Endprodukt beitragen könnte. Weiterhin Geduld. Vielleicht noch etwas Musik (für Ungelduldigere: ab min 24.30).

14) Nach gut einer Stunde erweist sich der Bräter durch beherzten Handdruck auf seinen folierten Deckel als weitestgehend abgekühlt. Womöglich befinden wir uns mittenmang bereits seit Längerem im Prozess des Kalträucherns? Jedenfalls erfolgt nun - bei mir, mit "regem Blute"! - die feierliche Öffnung des Räucherschreins.

15) Hernach präsentieren sich drei brillant gefischte, gnadenlos übertötete, akkurat gesäuberte, vermutlich zu lang gepökelte, liebevoll abgetrocknete und dann doch letztlich tatsächlich statt 10 Minuten gut 2 Stunden einem Räucherungsprozess unterzogenen Salmoniden-Männchen so:


Abschließend bleibt ein zu deftiger Räuchernachgeschmack, vor allem im Abgang. Vermutlich war die Heizungsdauer im 2. Akt doch zu lang?

Die Farbe jedenfalls ist perfekt. Das Fleisch saftiger als erwartet. Sogar die Haut essbar. 

Und Krupskaja zufrieden:



Was immer Kritiker*innen sagen werden...

Nach Abschluss des Räuchervorgangs riecht nichts in der Wohnung mehr nach abgehängtem Fisch oder gar dem durch gefürchteten "Fischeln" des mit Wasser kontaminierten verstorbenen Salmoniden-Mannes. Ganz konträr - die Wohnung ist beispielhaft ausgeräuchert und von jeglichen bösen Geistern befreit. Sinnvollerweise könnte man nach Abschalten des Herdes den weiter vor sich in räuchernden Bräter auf den Balkon stellen...

Anschließendes gemeinsames Baden und Haarewaschen der Kochenden würde aber keinesfalls schaden. 

Zum Weiterverarbeiten der Räucherforelle...

Warme Terrine von Räucherforelle auf grünem Spargelsalat. In. Behrendt & Stumpf (2006): Fisch auf den Tisch aus Fluss, See und Meer, Hannover: Landbuch-Verlag, S. 154



Quellen:

 

Rätsch, C (2002).  Räucherstoffe - der Atem des Drachen. Aarau: AT-Verlag.

Nishan J (2021). Der ganze Fisch - Rezepte von der Flosse bis zur Kieme. München, London, New York: Prestel. 

Nishan J (2022). Man nehme einen Fisch. München, London, New York: Prestel.


 


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