05.01.2022

roast-beef Willi

Von Willi Eich, dem von Vater stets idealisierten Musikus-Großvater - Pianist, Klarinettist, Bratschist, Violinist, Organist, Truppenunterhalter und Stummfilmbegleiter - hörte man, dass er außer Schumann und Liszt gerne Roastbeef mochte.

 


Roastbeef - hier serviert auf Flute mit Eich-Blatt-Salat

Auch da zeigt sich ein exklusiver Geschmack...


Willi Eich am Pianino, das nun im Wilkenweg steht

...denn das schön marmorierte Stück irgendwo aus der Lendengegend des Rindes war und ist eines seiner schmackhaftesten und teuersten Teile einer. 

Und das musste seinerzeit wie jetzo sorgsam verarbeitet werden, nämlich - so überlieferte es Mama - indem man es im Ofen ständig mit Bratensaft übergießen musste. Das wurde von ihr als eher lästiger, mühsamer Vorgang erlebt.



BAD BERTRICH. Spielarten von Glück: Während dein Uropa Beethovens op. 10.3 - eines meiner Lieblingsstücke überhaupt 😤 - spielte und "die Zuhörer mit durch Leid und Lust" riss, erntete ein namenlos gebliebener Gärtner eine "Ober-Kohlrabi" von 3kg Masse.

Ich bereite Roastbeef in englischer Manier zu. Um sicherzugehen, dass wir ein nicht zähes, aber auch noch strukturiertes Fleisch bekommen, vakuumiere ich das Fleisch und - friere es zunächst einmal ein! 

Das mag als Frevel erscheinen! Das Einfrieren sorgt aber dafür, dass die Zellstruktur bricht und das Fleisch mürber wird. Man könnte das vakuumierte Fleisch auch durch stundenlanges Sous-vide-Garen zu Brei erwärmen, das von Senioren mit Totalprothese als "ssehr ssart" gelobt würde - doch die Sous-Vide-Nummer gibt's im Hause Eich nur mit weniger wertvollem Fleisch. Aber das ist ein anderes Kapitel!

In der Würzung sind wir puristisch, der Rheinländer kannte keine Kräuter! Mit der Temperatur sind wir brutal: Scharf anbraten und 250° C bis zum Abwinken. "Heißes Blut ist meine Bosheit", so wird das Bonner Genie zitiert. Das nehmen wir in die Kochkunst mit: nix mit Hitzereduktion, bei 80° C langsam, vorsichtig, Ober- und Unter-, sanft und sonstwas. Wenn der Ofen mal heiß war, dann blieb er heiß! Fortissimo! Und gut ist! 

Aber gießen muss man stetig! Oder wie Mama: bestreichen! 

Unser 1kg-Stück (in dieser Größe ist das Beiried im Supermarkt meist viel zu klein abgepackt) ist nach 25 Minuten bei dieser Behandlung mit einer Ziel-Kerntemperatur von 55° C zuhause. 

"Englisch" wäre eine Kerntemperatur von 50° C, da wäre die Hälfte des inneren Fleisches noch roh. So dürfte Alexandr Sergeevic Puschkin es präferiert haben, der in seinem Evgenij Onegin von "blutigem roast-beef" dichtet ...


Уж тёмно: в санки он садится.
"Пади, пади!" - раздался крик; 
Морозной пылью серебрится 
Его бобровый воротник. 
К Talon помчался: он уверен, 
Что там уж ждет его Каверин. 
Вошел: и пробка в потолок, 
Вина кометы брызнул ток,
Пред ним roast-beef окровавленный,
И трюфли, роскошь юных лет, 
Французской кухни лучший цвет, 
И Стразбурга пирог нетленный 
Меж сыром Лимбургским живым 
И ананасом золотым. 






Er eilt zu Tolon. Er ist sich sicher,
dass Koverin ihn dort schon erwartet.
Tritt ein - und die Zimmerdecke
bespritzt der Kometenwein.
Vor ihm das Roastbeef, blutig
und Trüffel, Luxus der Jugendjahre,
schönste Blüte der französischen Küche
und die ewig frische Straßburger Gänseleberpastete
zwischen Limburger Käse, schimmlig
und goldener Ananas
      

... den er dort mit Trüffel, Pastete, Limburger Käse und Ananas servieren lässt. Kann man auch machen! - 

Ananas stand übrigens weit übers 19. Jahrhundert hinaus - laut Waldimir Kaminer - in Russland für "verschwenderischen Lebensstil". Wladimir Majakowskijs Vers, den die Matrosen der Oktoberrevolution auf den Barrikaden skandiert haben sollen, der Bourgeois solle noch einmal Ananas fressen und Haselhuhn kauen, weil nun sein letzter Tag bevorstehe - greift dieses Bild nochmals auf. 


Aber wir weichen ab...

Bleiben wir beim deutschen Symbol des Luxusessen in den 50er-Jahren roast-beef: die Zieltemperatur sollte sich irgendwo zwischen 50-58° C einpendeln, dann ist allemal Ende Gelände! 

Wichtig ist das anschließende Ablagern des Fleisches nach dem Brat-Stress - je länger je lieber! Niemals sofort anschneiden!

Und ja - ein Stück von 3kg im Ganzen gebraten, das wäre für ein Buffet das geeignetere Maß...


Zutaten

  • Beiried (öst.), flaches Roastbeef (dt.) oder Entrecôte (frz.) - hierorts meist mit etwas mehr als 1kg abgepackt. Wenn man zum Schlachter geht, ein größeres Stück mitnehmen! - und die Garzeiten dementsprechend anpassen. Dann mag die Fissler-Zeit (8 min pro cm, s. u.) mehr Sinn machen als bei unserem Format.
  • Meersalz, Pfeffer
  • Dijon-Senf
  • Sonnenblumenöl, Olivenöl
  • Champignons, Zwiebel, Knoblauch
  • fürs "Saftel" 200ml Weißwein, z. B. GV

Zubereitung 

  • Aufgetautes Roastbeef zwei Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank holen, von allen Seiten mit Meersalz einreiben und mit Dijon-Senf bestreichen. Rasten lassen bis es Zimmertemperatur hat.
  • Backofen auf 250° C aufheizen.
  • Sonnenblumenöl in einem Bräter oder einer unbeschichteten Pfanne gut heiß werden lassen, dann das Fleisch von oben und unten scharf anbraten. Auch auf die beiden Schnittseiten legen und diese anbräunen.
  • Pfanne mit dem Fleisch vom Herd nehmen und Öl abgießen. In diesem Zustand dürfte die Kerntemperatur bei 25° C liegen. Mit grob gemahlenem Pfeffer bestreuen.


li.: Angebraten von allen Seiten (25° C), frisches Gemüse dazu. Nun in den Ofen und gießen! ⬛ 
re.: aus dem Ofen raus  (55° C), mit Saftel 

  • Vermutlich hat sich beim Anbraten am Boden eine Schicht Angebranntes gebildet, die man mit etwas Wasser ablöst. 
  • In die Pfanne drei große Champignons, halbiert, eine halbe Zwiebel und 3 Zehen Knoblauch - alles ungeschält und grob geteilt - zulegen, Fleisch wieder hineingeben und mit reichlich Olivenöl übergießen.
  • Ohne Deckel in den Ofen geben. Firma Fissler rät in ihrer Bedienungsanleitung zum Bräter "pro 1 cm 8 Minuten" bei besagten 250° C - das wären bei unserem Stück, das etwas 6 cm breit ist - 48 Minuten. Dann wäre das Stück verlässlich durch, was wir jedenfalls nicht wollen! Vermutlich wird bei dieser Berechnung nicht vorab angebraten, sondern das Fleischstück sofort in den Ofen gegeben und bepinselt.
  • Wir bestreichen nun unser vorgebratenes Stück im 5-Minuten-Rhythmus liebevoll mit dem sich aromatisierenden Öl mit einem Pinsel von oben, links und rechts. Keine anderen Flüssigkeiten außer Fett!
  • Nach 25 Minuten hat der Braten die erwünschte Kerntemperatur von 55° C erreicht. Dann nehmen wir ihn aus dem Ofen und lassen ihn auf einem zimmerwarmen Teller - ohne Folie - mindestens 15 Minuten ruhen. 
  • In die Pfanne, in der noch die gerösteten Gemüse liegen und an der sich neuerlich ein feiner Röstrest gebildet hat, schütten wir 200ml Grünen Veltliner, rühren kurz um - und haben dann einen leckeren Bratensaft wie beim Wiener Heurigen - ohne Bindung, die braucht es nicht.
  • Mit der Soße kann man das lagernde Roastbeef gern noch mal bepinseln.
  • Ich mag Roastbeef am liebsten beim kalten Buffet und schneide ihn auch erst dann auf. Wenn man es warm servieren möchte - die Soße ordentlich heiß machen und über das abgelagerte Fleisch gießen. Das Fleisch nicht noch mal irgendwie erhitzen! 

Vom legendären Willi gibt es natürlich (leider!) keine Aufnahmen. 

Wie mag Willi seinen Rheinischen Landsmann Beethoven gespielt haben? Als "stürmisch" und "ergreifend" werden die Interpretationen der Werke des jungen Beethovens ja besprochen. Konnte Willi auch Ludwigs "Bosheit"? Ich hätte ihm sehr gern zugehört!

Vielleicht spielte es Willi so wie der legendäre Beethoven-Interpret und sehr modern komponierende Komponist Arthur Schnabel, der nach seiner Emigration aus NS-Deutschland in der Schweiz lebte und 1951 starb? 



Frühe Aufnahme des Klavierquintetts (Willi 2. von re.)

Und anschließend gab's roast-beef mit den Jungs aus der  Staatlichen Kurkapelle?


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